Ärztebewertungsportal, Meinungsfreiheit und Datenschutzrecht – das Amtsgericht (AG) München entschied mit Urteil vom 12.10.2012, Az. 158 C 13912/12: Ein Arzt hat gegenüber einem Ärztebewertungsportal im Internet keinen Löschungs- und Unterlassungsanspruch, wenn eine Nachverfolgung beleidigender oder rufschädigende Äußerungen möglich ist.
Was war geschehen?
Der Kläger ist Gynäkologe. Die Beklagte betreibt im Internet ein Ärztebewertungsportal. In diesem Ärztebewertungsportal war über den Kläger ein Eintrag vorhanden, der unter anderem folgende drei anonymisierte Bewertungen enthielt:
„toller Arzt – sehr empfehlenswert“
„na ja…“
„kompetenter, netter Arzt, sehr zu empfehlen!“
Die Registrierungsbedingungen für das Ärztebewertungsportal enthielten folgende Klausel:
„Damit wir Ihre Bewertung prüfen und veröffentlichen können, ist es notwendig, dass Sie Ihre E-Mail-Adresse eingeben. Diese wird nicht veröffentlicht – Sie bleiben anonym.“
Der Kläger verlangte von der Beklagten unter anderem, auf dem Ärztebewertungsportal sowohl seine Kontaktdaten als auch alle Bewertungen zu löschen.
Wie entschied das AG München?
Das AG München wies die Klage zurück. Dem Kläger stehe weder ein Löschungsanspruch noch ein Unterlassungsanspruch gegen die Betreiberin des Ärztebewertungsportals zu. Die von dem Kläger zur Begründung seines Löschungs- und Unterlassungsanspruchs angeführten Umstände berührten zwar den Schutzbereich seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit auch seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. In ihrer Gesamtheit wögen sie allerdings nicht so schwer, dass sie im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Recht auf Meinungsfreiheit und Kommunikationsfreiheit vorgehen würden. Der Betreiberin des Ärztebewertungsportals sei die jeweilige E-Mail-Adresse eines Bewerters bekannt. Damit sei eine Nachverfolgung beleidigender oder rufschädigende Äußerungen möglich. Dem Kläger habe es frei gestanden, sich telefonisch oder schriftlich an die Betreiberin des Ärztebewertungsportals zu wenden und er habe dies auch getan.
Auf Seiten der Betreiberin des Ärztebewertungsportals werde das von der Meinungsfreiheit und Kommunikationsfreiheit getragene Interesse an der Veröffentlichung der Daten des Klägers durch ein Interesse der Öffentlichkeit an der Verfügbarkeit von Daten über medizinische Versorgungsmöglichkeiten noch verstärkt. Es bestehe ein öffentliches Informationsinteresse an der Veröffentlichung der Arztdaten.
Vor diesem Hintergrund könne das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung das Recht der Betreiberin des Ärztebewertungsportals auf Kommunikationsfreiheit nicht überwiegen. Der Kläger könne die Löschung seiner Daten daher nicht verlangen. Ebenso stehe dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegen die Betreiberin des Ärztebewertungsportals zu.
Welche Auswirkung hat das Urteil des AG München auf die Praxis?
Das Urteil des AG München stärkt einmal mehr die Betreiber von Bewertungsportalen. Die Interessen des Bewerteten werden dadurch gewahrt, dass die Bewertung nicht restlos anonym erfolgt, sondern der Bewertende im Innenverhältnis zum Betreiber des Bewertungsportals seine E-Mail-Adresse offen legen muss. Dahinter steht folgender Gedanke: Wer in einen Bewertungsportal eine Bewertung abgibt, soll diese Bewertung im Streitfall verteidigen. Eine „Hit and run“-Bewertung aus der totalen Anonymität heraus würde das Kräfteverhältnis zwischen Bewerter und Bewertetem, zwischen Kunden und Unternehmer, zwischen Patient und Arzt, einseitig verschieben. Diesen Grundgedanken beachtete die Betreiberin des Ärztebewertungsportals. Ein ausgewogenes Urteil.