Bereits vor dem 13.06.2014, als das durch die EU-Verbraucherrechtsrichtlinie reformierte Fernabsatzrecht im BGB in Kraft trat, gab es Ausnahmen, in denen Webshopbetreiber Verbrauchern kein Widerrufsrecht einräumen mussten. Seit dem 13.06.2014 gelten für das Widerrufsrecht im B2C-E-Commerce viele neue Regeln. Die folgende Darstellung gibt Webshop-Händlern einen Überblick über die neue Rechtslage.
Inhalt
Einführung
Bei den Ausnahmen vom Widerrufsrecht muss unterschieden werden zwischen
- Verträgen, für die das Fernabsatzrecht als solches nicht gilt und bei denen folglich der Kunde keinerlei Widerrufsrecht hat;
- Verträgen, für die das Fernabsatzrecht gilt und der Kunde der Kunde deswegen grundsätzlich ein Widerrufsrecht hat, aber das Widerrufsrecht für einzelne Produkte von Anfang an ausgeschlossen ist;
- und Verträgen, bei denen der Kunde zwar grundsätzlich ein Widerrufsrecht hat, aber der Kunde das Widerrufsrecht durch eine Handlung vorzeitig erlöschen lässt.
Ausnahme vom Widerrufsrecht I: Bereichsausnahmen vom Fernabsatzrecht
Nach § 312 Abs. 2 BGB findet Fernabsatzrecht auf eine ganze Reihe von Verträgen, die Verbraucher typischerweise auch online abschließen können, keine Anwendung.
Dies bedeutet: Nicht nur das Widerrufsrecht spielt bei diesen Verträgen keine Rolle.
Vielmehr findet das Fernabsatzrecht mit seinen Belehrungspflichten insgesamt keine Anwendung – mit der Folge, dass beispielsweise keine Widerrufsbelehrung erforderlich ist und Verbraucher deswegen bei diesen Verträgen auch nicht darüber belehrt werden müssen, dass sie hier kein Widerrufsrecht geltend machen können.
_ § 312 Abs. 2 Nr. 4 a) BGB: Reiseverträge
Der Verbraucherschutz wird durch die speziellen Vorschriften der §§ 651a ff. BGB gewährleistet.
_ § 312 Abs. 2 Nr. 5 BGB: Beförderung von Personen
- Bahn- und Bustickets
- Flugtickets
- Charterbusse
- Taxi
_ § 312 Abs. 2 Nr. 6 BGB: Teilzeit-Wohnrechte, langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungen und Tauschsysteme
Der Verbraucherschutz für diese Dienstleistungen, denen jeweils eine Laufzeit von mehr als einem Jahr zugrunde liegt, wird durch die speziellen Vorschriften der §§ 481 ff. BGB gewährleistet.
_ § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB: medizinische Behandlungsverträge
Hier gelten die speziellen Informations-, Aufklärungs- und Dokumentationspflichten nach den §§ 630a ff. BGB.
_ § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB: Lieferung im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten
Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers von einem Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden.
_ § 312 Abs. 2 Nr. 11 BGB: EinzelneTelefon-, Internet- oder Telefaxverbindung
Beispiele:
- Call-by-call-Verträge
- Internet-Dialer
Der Verbraucherschutz wir durch die speziellen Regelungen der §§ 66a ff. TKG gewährleistet, wie etwa die Preisansagepflicht nach § 66b TKG.
Ausnahme vom Widerrufsrecht II: Ausgenommene Produkte
Bei dieser Gruppe von Waren und Dienstleistungen gilt zwar das Fernabsatzrecht. Der Verbraucher hat aber ausnahmsweise kein Widerrufsrecht.
Weil aber das Fernabsatzrecht aber gilt, muss der Webshop-Händler eine Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen – hier in der Form, dass der Webshop-Händler den Verbraucher darüber belehren muss, dass das Widerrufsrecht für diese Produkte nicht besteht.
Die einzelnen Waren und Dienstleistungen, für die Webshop-Betreiber Verbrauchern kein Widerrufsrecht einräumen müssen, ergeben sich aus § 312g Abs. 2 BGB.
Achtung: Das Widerrufsrecht ist nur ausgeschlossen, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben!
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alternative 1 BGB: Maßanfertigungen
Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist.
Beispiele:
- Maßbekleidung
- Nach Maß angefertigte Vorhänge
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alternative 2 BGB: Waren für persönliche Bedürfnisse
Waren, die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.
Beispiel: Kontaktlinsen
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB: Verderbliche Waren und Verfallsdatum
Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde.
Beispiel: Frische Lebensmittel, die nicht konserviert wurden
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BGB: Alkoholische Getränke mit Preisschwankungen
Alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat.
„Vin-en-primeur-Ausnahme“ – z.B. Verträge über die Lieferung von Weisn, bei denen die Lieferung erst lange nach dem Kaufvertrag erfolgen soll und der Kaufpreis spekulativ bestimmt wird: Wird es ein heißer oder ein verregneter Sommer? Wird es eine reiche oder eine magere Weinlese?
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 7 BGB: Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten
Achtung: Die Ausnahme gilt nicht bei Abonnement-Verträgen. Hier steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu.
Erfasst sind also nur Verträge über die Lieferung von Einzelexemplaren, z.B. Nachbestellungen früherer Ausgaben einer Fachzeitschrift.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 8 BGB: Preisschwankungen auf dem Finanzmarkt
Verträge
- zur Lieferung von Waren
- oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen,
deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere
- Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien,
- mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs
- und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Alternative 1 BGB: Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken
Beispiel: Vermietung von Hotelzimmern oder Ferienwohnungen
Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts:
Der Unternehmer muss mit dem Verbraucher einen bestimmten Zeitpunkt („die Nacht vom 13.06.2014 auf den 14.06.2014“) oder einen bestimmten Zeitraum („in der 25. Kalenderwoche“) für die Vermietung vereinbart haben.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Alternative 2 BGB: Beförderung von Waren
Beispiel: Speditionsauftrag über das Internet-Portal eines Paketdienstleisters
Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts:
Der Unternehmer muss mit dem Verbraucher einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum für die Warenbeförderung vereinbart haben.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Alternative 3 BGB: Vermietung von Kraftfahrzeugen
Beispiel: Buchung eines Mietwagens über das Internet-Portal einer Autovermietung
Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts:
Der Unternehmer muss mit dem Verbraucher einen bestimmten Zeitpunkt (oder einen bestimmten Zeitraum für die Miete des Fahrzeugs vereinbart haben.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Alternative 4 BGB: Lieferung von Speisen und Getränken
Beispiel: Catering-Service
Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts:
Der Unternehmer muss mit dem Verbraucher einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum für die Warenbeförderung vereinbart haben.
Unterschied zur Bereichsausnahme nach § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB „Lieferung im Rahmen regelmäßiger Fahrten“:
Die Auslieferung muss dort im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten erfolgen, die der Unternehmer organisiert.Von der Bereichsausnahme erfasst sind außerdem nicht nur Speisen und Getränke, sondern alle Gegenstände, die im Haushalt gebraucht und verbraucht werden – praktisch das gesamte Sortiment eines Supermarktes.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 Alternative 5 BGB: Freizeitbetätigungen
Beispiele:
- Tanzkurs
- Online-Kurs zur Vorbereitung des Sportboot-Führerscheins
Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts:
Der Unternehmer muss mit dem Verbraucher einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum für die Freizeitveranstaltung vereinbart haben.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 10 BGB: Öffentlich zugängliche Versteigerungen
Achtung: Eine eBay-Versteigerung fällt hierunter nicht!
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 11 BGB: Dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten
Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen
Achtung: Dies gilt nicht hinsichtlich
- weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat,
- hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 12 BGB: Wett- und Lotteriedienstleistungen
Achtung: Diese Ausnahme gilt nicht, wenn
- der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder
- der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde.
Ausnahme vom Widerrufsrecht III: Vorzeitiges Erlöschen
Bei dieser Gruppe von Waren und Dienstleistungen hat zwar der Verbraucher zunächst ein Widerrufsrecht. Dieses Widerrufsrecht erlischt aber vorzeitig, vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist, wenn der Verbraucher das Produkt zu verwenden beginnt.
Die einzelnen Ausnahmen ergeben sich wieder aus § 312g Abs. 2 BGB und weiter aus § 356 Abs. 4 und 5 BGB.
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB: Gesundheitsschutz und Hygiene
Versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Beispiele:
- geöffnete Cremetuben
- Intimspielzeug
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BGB: Untrennbare Vermischung
Waren, die nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden.
Beispiele:
- Tapetenkleister, mit dem bereits Tapeten verklebt wurden
- Heizöl, das in einen Tank gepumpt wird, in dem sich noch eine Restmenge der Vorlieferung befindet
_ § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BGB: Versiegelte Datenträger
Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
_ § 356 Abs. 4 BGB: Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist
Dienstleistungen, wenn
- der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat
- und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat
- und der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
Bei einem Vertrag über die Erbringung von Finanzdienstleistungen erlischt das Widerrufsrecht hiervon abweichend , wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.
_ § 356 Abs. 5 BGB: Downloads und digitale Inhalte
Bei der Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten erlischt das Widerrufsrecht vorzeitig, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher
- ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und
- seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert.
Beispiele:
- Software zum Download
- Apps
- Audio- oder Video-Streaming
Achtung:
Nach § 312f Abs. 3 BGB muss der Webshop-Betreiber auf der Abschrift oder in der Bestätigung des Vertrags, die er dem Verbraucher senden muss, auch festhalten, dass der Verbraucher vor Ausführung des Vertrags
- ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und
- seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert.