Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 10.07.2015, Az. V ZR 206/14: Altkanzler Kohl kann die Herausgabe der Interview-Tonbänder verlangen.
Worum geht es?
Kläger ist der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Beklagter ist der Journalist Heribert Schwan. Die beiden schlossen 1999 mit einem Verlag jeweils selbständige, inhaltlich aber aufeinander abgestimmte Verträge. Gegenstand dieser Verträge war die Erstellung der Memoiren von Helmut Kohl; die schriftliche Abfassung des Werkes sollte durch den Beklagten erfolgen. Die Parteien trafen sich in den Jahren 2001 und 2002 an über 100 Tagen im Wohnhaus von Helmut Kohl zu Gesprächen. Kohl sprach dabei auf Fragen und Stichworte des Beklagten ausführlich über sein gesamtes Leben. Die Gespräche dauerten insgesamt etwa 630 Stunden und wurden mit einem vom Beklagten zur Verfügung gestellten Tonbandgerät aufgenommen. Die Tonbänder, die Helmut Kohl persönlich zu keinem Zeitpunkt in den Händen hatte, nahm Heribert Schwan zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause.
Später überwarfen sich die Parteien. Kohl kündigte die Zusammenarbeit mit Schwan. Dieser wurde von dem Verlag finanziell abgefunden. Kohl verlangte die Herausgabe sämtlicher Tonaufnahmen, auf denen seine Stimme zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 von dem Beklagten aufgenommen wurden. Seine Klage war in den Vorinstanzen vor dem Landgericht Köln (Urteil vom 12.12.2013, Az. 14 O 612/12) und dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 01.08.2014, Az. 6 U 20/14) erfolgreich.
Wie entschied der BGH über die Kohl-Tonbänder?
Der BGH wies die Revision von Heribert Schwan gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln zurück.
Helmut Kohl sei zwar nicht – wie vom Oberlandesgericht angenommen – durch „Verarbeitung“ (§ 950 Abs. 1 Satz 1 BGB) Eigentümer der Tonbänder geworden. Ein Tonband werde allein durch das Aufnehmen von Tondokumenten nicht zu einer neuen Sache. Dass die Tondokumente historisch wertvoll und einmalig sind, ändere daran nichts.
Die Tonbänder seien aber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Auftragsverhältnisses herauszugeben. Alleine Helmut Kohl habe nach den Verlagsverträgen über den Inhalt der Memoiren zu entscheiden gehabt. Nachdem Kohl die Zusammenarbeit beendet und damit den Auftrag widerrufen habe, sei Schwan nach § 667 BGB verpflichtet gewesen, ihm alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Hiervon erfasst seien nicht nur zur Verfügung gestellte Dokumente, sondern auch die dem Beklagten mitgeteilten und von ihm aufgezeichneten persönlichen Erinnerungen und Gedanken des Klägers.
Auf das Eigentum an den Tonbändern, auf denen die Lebenserinnerungen des Klägers aufgezeichnet sind, komme es nicht an. Wer fremde Geschäfte besorge und damit auf die Interessen eines anderen zu achten habe, solle aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber gebühren. Setze der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Tonband, ein, müsse er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden könne.