Urheberrecht, militärische Lageberichte und Musik-Sampling – der Bundesgerichtshof (BGH) legte dem EuGH mit Beschluss vom 01.06.2017, Az. I ZR 115/16, im Rechtsstreit Kraftwerk gegen Sabrina Setlur „Metall auf Metall“ die Frage zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings vor. Ebenfalls mit Beschluss vom 01.06.2017, Az. I ZR 139/15, legte der BGH im Rechtsstreit „Afghanistan-Papiere“ die Frage vor, inwieweit militärischer Lageberichte der Bundesregierung urheberrechtlichen Schutz vor Veröffentlichung durch die Presse genießen.
Metall auf Metall – dritte Runde vor dem BGH
Bei dem urheberrechtlichen Verfahren „Metall auf Metall“ kann man mittlerweile schon von Prozess-Sampling sprechen – das erste Urteil in dieser Sache erging immerhin bereits 2004 (Landgericht Hamburg, Urteil vom 08.10.2004, Az. 308 O 90/99). Zuletzt entschied das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 31.05.2016, Az. 1 BvR 1585/13, dass die Annahme, die Übernahme selbst kleinster Tonsequenzen stelle einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger dar, soweit der übernommene Ausschnitt gleichwertig nachspielbar sei, der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung trage. Mit dieser Entscheidung hob das Bundesverfassungsgericht das BGH-Urteil „Metall auf Metall II“ vom 13.12.2012, Az. I ZR 182/11, auf. Der BGH hatte dort zugunsten von Kraftwerk entschieden, die Beklagten hätten durch das Sampling in das Recht von Kraftwerk als Tonträgerhersteller eingegriffen. Sie könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG berufen. Es sei ihnen nämlich möglich gewesen sei, die aus dem Musikstück „Metall auf Metall“ entnommene Sequenz selbst einzuspielen. Aus der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit lasse sich kein Recht ableiten, die Tonaufnahme ohne Einwilligung des Tonträgerherstellers zu nutzen.
Zur Pressemitteilung des BGH „Metall auf Metall III“ geht es >hier<.
Afghanistan-Papiere
Klägerin ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie lässt wöchentlich einen militärischen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr erstellen. Die Berichte werden von der Klägerin unter der Bezeichnung „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) an ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestags, Referate im Bundesministerium der Verteidigung und in anderen Bundesministerien sowie dem Bundesministerium der Verteidigung nachgeordnete Dienststellen übersandt. Die UdP sind als Verschlusssache „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft. Daneben veröffentlicht die Klägerin gekürzte Fassungen der UdP als „Unterrichtungen der Öffentlichkeit“ (UdÖ).
Die Beklagte betreibt das Onlineportal der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie beantragte im September 2012 die Einsichtnahme in UdP aus den Jahren 2001 bis 2012. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, das Bekanntwerden der Informationen könne nachteilige Auswirkungen auf sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben. Zugleich wurde auf die regelmäßig erscheinende UdÖ hingewiesen, die eine nicht die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr berührende Version der UdP darstelle.
Auf unbekanntem Weg gelangte die Beklagte an einen Großteil der UdP. Sie veröffentlichte die von ihr als „Afghanistan-Papiere“ bezeichneten Berichte aus den Jahren 2005 bis 2012 in ihrem Onlineportal.
Die Klägerin sieht in dieser Veröffentlichung eine Verletzung ihrer Urheberrechte an den UdP. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Für den BGH stellt sich nun im laufenden Revisionsverfahren die Frage, ob eine widerrechtliche Verletzung eines Urheberrechts an den UdP aufgrund einer Interessenabwägung ausscheiden. Im Raum stehen
- das Recht der Klägerin zur Vervielfältigung der Berichte (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG),
- das Recht der Klägerin zur öffentlichen Wiedergabe der Berichte (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG),
- die von der Beklagten geltend gemachten Schrankenregelungen der Berichterstattung über Tagesereignisse (der Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG),
- das von der Beklagten geltend gemachte Zitatrecht (Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG).
Zu entscheiden ist, ob diese Rechte im Lichte der im Streitfall betroffenen Grundrechte und Interessen auszulegen und anzuwenden sind, und die von der Beklagten geltend gemachte Behinderung der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit durch das Urheberrecht an den UdP schwerer wiegt als der Schutz von Verwertungsinteressen und Geheimhaltungsinteressen der Klägerin.
Der BGH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die hier erwähnten Vorschriften des Unionsrechts Umsetzungsspielräume im nationalen Recht lassen.
Zur Pressemitteilung des BGH „Afghanistan-Papiere“ geht es >hier<.
© RA Stefan Loebisch | Kontakt