Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen reicht nicht aus

Beleidigung in einem Internet-Forum, Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe und die Wiederholungsgefahr – das Oberlandesgericht Dresden entschied mit Beschluss vom 14.02.2017, Az. 4 U 195/17: Ein Unterlassungsanspruch ist auch dann gegeben, wenn eine rechtswidrige Äußerung im geschlossenen Forum eines sozialen Netzwerkes erfolgt. Erklärt der Verletzer lediglich, die Äußerung nicht mehr zu wiederholen, verweigert er aber eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung, so besteht die Wiederholungsgefahr auch dann fort, wenn der Verletzer seine Bereitschaft erklärt, gegen sich ein Ordnungsgeld festsetzen zu lassen.

Beleidigung in einem Internet-Forum – was war geschehen?

Der spätere Verfügungsbeklagte hatte den Kläger durch ein Posting in einem Internet-Forum beleidigt. Der Kläger erwirkte deshalb gegen den Beklagten vor dem Landgericht Dresden (Aktenzeichen 3 O 2446/16 EV) eine einstweilige Verfügung, wonach es dem Beklagten verboten wurde, seine Äußerung zu wiederholen. Gegen diese einstweilige Verfügung legte der Beklagte Berufung zum Oberlandesgericht Dresden ein. Zwischenzeitlich gab der Beklagte wohl auch eine Unterlassungserklärung ab: Hierin verpflichtete er sich zwar, ein vom Landgericht zu bezifferndes Ordnungsgeld gegen sich festsetzen zu lassen. Ein Vertragsstrafeversprechen enthielt diese Unterlassungserklärung jedoch nicht. Im Übrigen gab der Beklagte seine Unterlassungserklärung ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab. Der Beklagte meinte, mit dieser modifizierten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt zu haben.

Wie entschied das Oberlandesgericht Dresden zur Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen?

Das Oberlandesgericht Dresden erteilte nicht nur in Bezug auf die Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen den Rechtsansichten des Beklagten eine Absage. Auch zu weiteren Rechtsauffassungen des Beklagten, die dieser im Unterlassungsanspruch des Klägers entgegenhalten wollte, äußerte sich das Gericht.

_ Keine Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch Entschuldigungs-Posting

Ein weiteres Posting, das zwar den Anspruch erhebt, eine Entschuldigung gegenüber dem Geschädigten zu beinhalten, das aber tatsächlich nur das erste, beleidigende, Posting erläutert, beseitige die Wiederholungsgefahr nicht, sondern belege stattdessen die Gefahr gleichartiger oder ähnlicher Äußerungen:

„Denn wenn auch behauptetermaßen als ‚Entschuldigung‘ gemeint, so handelt es sich tatsächlich doch um eine wiederholende Erklärung, Erläuterung bzw. Vertiefung der geäußerten Ansicht des Verfügungsbeklagten über den Verfügungskläger. Die Einkleidung der im Grunde wiederholenden Ehrverletzung in eine Erläuterung oder gar Entschuldigung ändert hieran nichts.“

_ Keine Sonderregelungen für soziale Netzwerke

Auch bei Beleidigungen in sozialen Netzwerken bestehe Wiederholungsgefahr. Für diese Wiederholungsgefahr komme es nicht darauf an, ob es sich lediglich um ein internes Forum eines sozialen Netzwerkes gehandelt habe:

„Die mit der Berufung vertretene Rechtsansicht, bei Beleidigungen in sozialen Netzwerken sei die Wiederholungsgefahr grundsätzlich zu verneinen, weil es sich hierbei um eine einmalige Sondersituation handele, hält der Senat für fernliegend. Sie findet auch in der vom Verfügungsbeklagten herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keinerlei Stütze. Für die Wiederholungsgefahr kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Publizitätswirkung einer Äußerung auf einem internen Forum eines sozialen Netzwerkes geringer ist als die Veröffentlichung in einer Tageszeitung. Allein maßgeblich ist vielmehr, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles sicher angenommen werden kann, dass es zukünftig nicht mehr zu einer kerngleichen Verletzungshandlung kommt.“

Ganz im Gegenteil seien gerade geschlossene Foren geeignet, zu einer verbalen Enthemmung der Teilnehmer und zu strafrechtlichen Beleidigungen Dritter zu führen:

„Der Umstand, dass sich die Nutzer frei von Beobachtung wähnen, führt schon von daher dazu, dass auch die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung nicht absinkt, sondern ansteigt. Dies räumt auch der Verfügungsbeklagte ein, der es für ’nicht unwahrscheinlich‘ hält, dass ’sich eine Person in einem Streitgespräch, zumal im Internet, kurzfristig vergisst‘. Eine solche Enthemmung, die sich – anders als die Berufung meint – auch nicht als „einmaliger Fehlschuss in der Hitze des Gefechts“ bagatellisieren lässt, rechtfertigt es jedoch nicht, die in der analogen Welt bestehenden Persönlichkeitsrechte in sozialen Netzwerken einzuschränken. Vielmehr sind die Nutzer sozialer Netzwerke verpflichtet, ihre Äußerungen an die rechtlichen Vorgaben anzupassen.“

_ Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen reicht nicht aus

Die Wiederholungsgefahr sei auch nicht durch die zwischenzeitlich abgegebene Unterlassungserklärung des Verfügungsbeklagten entfallen:

„Der Unterlassungsverpflichtete muss gegenüber dem Gläubiger eine uneingeschränkte, bedingungslose und durch ein Vertragsstrafeversprechen angemessen zu sichernde Unterlassungsverpflichtung eingehen (BGH, I ZR 153/85, aaO.). Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte weder ein Vertragsstrafenversprechen abgegeben, noch hat er anerkannt, die Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgrund einer bestehenden Rechtspflicht abgegeben zu haben, sondern diese vielmehr unter dem Vorbehalt ‚ohne Anerkennung einer Rechtspflicht‘ erklärt. Hierin liegt keine angemessen gesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung, wie sie die Rechtsprechung im Hinblick auf die Beseitigung der Wiederholungsgefahr fordert.“

Hieran ändere auch die Bereitschaft des Verfügungsbeklagten, ein vom Landgericht zu bezifferndes Ordnungsgeld gegen sich festsetzen zu lassen, nichts. Dies stehe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht gleich:

„Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO dürfen nur im Rahmen von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung verhängt werden. Die Zwangsvollstreckung findet nur statt aus gerichtlichen Urteilen, gerichtlichen Beschlüssen oder Titeln, die in §§ 794 ff. ZPO genannt sind. Darunter fallen zwar auch Vergleiche, wenn sie in der dafür vorgesehenen Form vor Gericht abgeschlossen worden sind (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, s. z.B. BGH, Beschl. v. 2. 2. 2012, GRUR 2012, S. 957 ff.), nicht aber einseitige Unterlassungserklärungen.“

Das Gericht empfahl dem Verfügungsbeklagten, seine Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts Dresden zurückzunehmen.

Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Praxis?

Einmal quer durch das Standard-Repertoire all zu Klartext-verliebter Forums-Mitglieder: „Im Internet gelten andere Regeln“ – „Es genügt, sich nach einem beleidigenden Posting zu entschuldigen“ – „Forderungen nach einem Vertragsstrafeversprechen sind nur unzulässige Abzocke“.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden mag vielleicht auch dem einen oder anderen Rechtsanwalt zur Lektüre dienen, der – angesichts der eindeutigen Rechtslage unverständlich – meint, den Täter einer Online-Beleidigung vor der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bewahren zu müssen. Die Kosten eines Gerichtsverfahrens sind dann erheblich.

 

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