BGH-Verhandlungstermin: weibliche Personenbezeichnung in Bankformularen

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird am 20.02.2018 um 10 Uhr unter dem Aktenzeichen VI ZR 143/17 über die Revision einer Bankkundin verhandeln, die sich gegen die Verwendung des generischen Maskulinum in Bankformularen wendet und statt dessen spezifisch weibliche Personenbezeichnungen verlangt. Hierauf weist der Bundesgerichtshof in einer Pressemitteilung vom 18.01.2018 hin.

Generisches Maskulinum in Bankformularen – worum geht es?

Die Klägerin ist Kundin der beklagten Sparkasse. Die Sparkasse verwendet im Geschäftsverkehr Formulare und Vordrucke, die neben Bezeichnungen wie etwa „Kunde“, „Kontoinhaber“, „Einzahler“ oder „Sparer“ keine ausdrücklich weibliche Form enthalten. Im persönlichen Gespräch und in persönlich adressierten Schreiben spricht die Beklagte die Klägerin mit „Frau […]“ an. Die Klägerin verlangt von der Sparkasse, im Geschäftsverkehr mit ihr Vordrucke zu verwenden, in denen sie als weibliche Person („Kundin“, „Kontoinhaberin“, „Einzahlerin“, „Sparerin“) erscheint.

Bereits das Amtsgericht Saarbrücken (Urteil vom 12.02.2016, Az. 36 C 300/15) und das Landgericht Saarbrücken als Berufungsgericht (Urteil vom 10.03.2017, Az. 1 S 4/16) wiesen die Klage der Bankkundin ab. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.

Generisches Maskulinum, Geschlecht, Gender und Rechtssprache

„Probleme haben die Leute“ – dies ist vielleicht der erste Gedanke bei so einer Pressemitteilung. Bei näherer Betrachtung wird der Fall indes interessant: Wie wird sich die Rechtssprache in naher und mittlerer Zukunft entwickeln?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied mit Beschluss des Ersten Senats vom 10.10.2017, Az. 1 BvR 2019/16, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auch die geschlechtliche Identität derjenigen Menschen schützt, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Weiter entschied das Bundesverfassungsgericht dort, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der die Gleichheit vor dem Gesetz sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter garantiert und Diskriminierung und Bevorzugung aufgrund bestimmter Eigenschaften verbietet, auch diejenigen Menschen vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts schützt, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Aus diesem Grund kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, in beiden Grundrechten verletzt werden, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.

Die beschwerdeführende Person wurde bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet und als Mädchen in das Geburtenregister eingetragen. Sie verfügt über einen atypischen Chromosomensatz (sog. Turner-Syndrom) und fühlt sich dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig. Sie beantragte die positive Eintragung der Geschlechtsangabe „inter/divers“, hilfsweise „divers“ in das Geburtenregister. Das zuständige Standesamt lehnte dies ab, weil § 21 Abs. 1 Nr. 3, § 22 Abs. 3 PStG eine solche Eintragung nicht zuließen. Die beschwerdeführende Person machte – erfolgreich – geltend, diese gesetzlichen Regelungen im deutschen Personenstandsrecht seien verfassungswidrig.

Den Gesetzgeber verpflichtete das Bundesverfassungsgericht, bis zum 31.12.2018 eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen. Zu den Gestaltungsmöglichkeiten einer solchen verfassungsgemäßen Regelung führte das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung aus:

„So könnte der Gesetzgeber auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten. Er kann aber stattdessen auch für die betroffenen Personen – zusätzlich zu der bestehenden Option keinen Geschlechtseintrag vorzunehmen (§ 22 Abs. 3 PStG) – die Möglichkeit schaffen, eine einheitliche positive Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht männlich oder weiblich ist. Die Option eines weiteren Geschlechtseintrags lässt sich gesetzlich auf unterschiedliche Weise ausgestalten. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht auf die Wahl einer der von der antragstellenden Person im fachgerichtlichen Verfahren verfolgten Bezeichnungen beschränkt.“

Männlich, weiblich, drittes Geschlecht – und damit zurück zur BGH-Verhandlung am 20.02.2018: Im Lichte der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts müssten Bankformulare dann auch in einer dritten Version angeboten werden, nämlich adressiert an das weder männliche („Kunde“) noch weibliche („Kundin“) dritte Geschlecht. Muss die Bezeichnung dort „Kund*“ heißen? Oder „KundX“?

„Das Kund*“ oder nur „Kund*“ ohne Artikel, da weder „der“ (männlich) noch „die“ (weiblich), aber auch nicht „das“, da ein Mensch und keine Sache?

Ist die Formulierung „die Kundschaft“ mit weiblichem Artikel dann noch statthaft? Oder liegt die Zukunft in Telegramm-Sprache ohne Artikel? „Kundschaft verpflichtet sich, Betrag X zu zahlen?“

Generisches Maskulinum und Sprachgebrauch

Dass ein generisches Maskulinum für die Rechtssprache ausreichend ist, lässt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten begründen.

Mit Sprachgebrauch in der Alltagssprache zum Beispiel – der Sinngehalt eines Wortes entsteht auch durch Zuweisung infolge sprachlicher Übung. Das Wort „geil“ ist ein gutes Beispiel dafür: Das Wort hat seine Bedeutung über die Jahrhunderte mehrfach gewechselt – Zuweisung einer Bedeutung durch sprachliche Übung und zugleich Ausdruck von Generationenwandel.

Ein generisches Maskulinum als Voraussetzung dafür, dem Satz überhaupt die gewünschte Bedeutung zu geben – „Frauen sind die besseren Autofahrer“. Frauen sind keine Autofahrer, sondern Autofahrerinnen, wenn man ein generisches Maskulinum ablehnen will. Muss es also heißen: „Frauen sind die besseren Autofahrerinnen“? Bessere Autofahrerinnen als welche anderen Autofahrerinnen, bei denen es sich logischerweise um keine Frauen handeln darf (aber auch um keine Männer, also Autofahrer)?

Die Bezeichnungen „die Kunden“ und auch „der Kunde“ müssen sich also nicht zwingend ausschließlich auf Personen männlichen Geschlechts beziehen.

Fortentwicklung der Rechtssprache: Direkte Ansprache statt abstrakt-genereller Formulierungen

Bereits jetzt bieten AGB, Formulare und ähnliche Dokumente einen Ausweg aus dem Sprach-Dilemma: Die direkte Ansprache. Weg von abstrakt-generellen Formulierungen, weg von dem Gedanken, dass die Vereinbarung ein Eigenleben hat, hinter dem die beteiligten Personen zurücktreten, nur noch als unkörperliche „Vertragsparteien“ fortbestehen und im Übrigen unsichtbar werden. Nicht „Kundschaft verpflichtet sich, den Kaufpreis innerhalb von acht Tagen ab Rechnungsdatum zu zahlen“, sondern „Sie verpflichten sich, den Kaufpreis innerhalb von acht Tagen ab Rechnungsdatum zu zahlen“.

Auch ohne ausufernde Formular-Logistik kann jede beteiligte Person angesprochen werden, ob Frau, Mann, oder was auch immer, ob eine einzelne Person oder ob Personenmehrzahl.

Vielleicht liegt in der unmittelbaren Adressierung die Zukunft einer ebenso verständlichen wie gender-neutralen Rechtssprache.

 

© RA Stefan Loebisch | Kontakt

 

 

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