Urteil: Spieler kann von Online-Casino Rückzahlung verlangen

Verbotenes Glücksspiel im Internet und verlorener Spieleinsatz – das Landgericht (LG) Gießen entschied mit Urteil vom 25.02.2021, Az. 4 O 84/20: Ein Spieler kann von dem Betreiber eines Online-Casinos die Rückzahlung seiner Einsätze und damit die Erstattung seiner Verluste verlangen.

Sachverhalt: Worum geht es?

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) klagte ein Spieler mit Wohnsitz in Hessen gegen den Anbieter eines Online-Casinos. Der  beklagte Anbieter gehört demnach zum britischen Glücksspielkonzern Entain. Der Anbieter berief sich im Prozess auf eine Glücksspiellizenz aus seinem Heimatland. Eine Konzession aus Hessen, in dem der Spieler seinen Wohnsitz hat, kann der Konzern nicht vorweisen. Eine derartige Konzession, so der Standpunkt des Anbieters, sei aufgrund der europäischen Dienstleistungsfreiheit auch nicht erforderlich.

Im deutschen Glücksspielstaatsvertrag regelt § 4 Abs. 4, dass das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten sind. Online-Casinos sind deswegen in Deutschland außer in Schleswig-Holstein verboten.

Ergebnis: Wie entschied das Gericht?

Das Urteil des LG Gießen ist bislang – Stand 17.03.2021 – noch nicht im Volltext mit seiner schriftlichen Urteilsbegründung veröffentlicht. Die Begründung lässt sich nach Auswertung bisheriger Pressemeldungen so zusammenfassen:

Das Verbot öffentlicher Glücksspiele im Internet sei trotz der europäischen Dienstleistungsfreiheit anwendbar. Die nationale Regelung des § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag werde durch die europarechtlichen Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit nicht verdrängt. Auch eine etwaige Duldung des Online-Angebots durch das hessische Innenministerium setze das Verbot nicht außer Kraft.

Auswirkung auf die Praxis

Der Branchenverband Deutscher Online Casinoverband e. V. wird von der FAZ mit folgender Stellungnahme zitiert:

„Nach unserer Erkenntnis werden Klagen auf Rückzahlung von den Gerichten reihenweise erst gar nicht angenommen. Es handelt sich hier um eine bislang unveröffentlichte und nicht rechtskräftige Einzelfallentscheidung.“

Das ist so völliger Unsinn, zumindest jedenfalls missverständlich: Die zuständigen Zivilgerichte in Deutschland entscheiden nicht, ob eine dort eingereichte Klage zur weiteren Verhandlung „angenommen“ wird. Bis zu einem Betrag von 5.000,00 € sind erstinstanzlich die Amtsgerichte zuständig. Bei höheren Beträgen sind erstinstanzlich die Landgerichte zuständig. Wird eine Klage bei dem zuständigen Zivilgericht eingereicht, steht es im Ermessen der Parteien, ob und in welchem Umfang darüber verhandelt wird.

Mit jeder Klage ist freilich das Risiko verbunden, dass sie vom Gericht als unbegründet abgewiesen wird. Dieses Risiko besteht vor allem dann, wenn es zu dem Thema noch keine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt und die Instanzgerichte keiner gemeinsamen Linie folgen, weil sie das geltende Recht unterschiedlich auslegen.

Rechtsprechungsübersicht: Rückzahlungsansprüche beim Online-Glücksspiel

Die bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte zu Rückzahlungsansprüchen beim Online-Glücksspiel ist uneinheitlich. Spielerfreundlichen Entscheidungen stehen zu Ungunsten des betroffenen Spielers ergangene Entscheidungen gegenüber, die den Banken, Kreditkartenunternehmen und Zahlungsdienstleistern wie etwa PayPal Recht gegeben haben. Eine Rechtsprechungsübersicht in Sachen Online-Glücksspiel und Online-Casinos – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

_ Spielerfreundliche Entscheidungen

  • Amtsgericht Wiesbaden, Urteil vom 16.06.2017, Az. 92 C 4323/16
  • Landgericht Ulm, Urteil vom 16.12.2019, Az. 4 O 2020/18
  • Amtsgericht München, Urteil vom 21.02.2018, Az. 158 C 19107/17
  • Amtsgericht Leverkusen, Urteil vom 19.02.2019, Az. 26 C 346/18
  • Landgericht Bonn, Urteil vom 14.02.2020, Az. 2 O 144/19
  • Amtsgericht Neuss, Urteil vom 30.11.2020, Az. 86 C 155/20

_ Entscheidungen zu Ungunsten der Spieler

  • Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2019, Az. 8 O 398/18
  • Landgericht München I, Urteil vom 28.02.2018, Az. 27 O 11716/17
  • Oberlandesgericht München, Verfügung vom 06.02.2019, Az. 19 U 793/18
  • Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 29.03.2019, Az. 124 C 160/18
  • Landgericht Berlin, Urteil vom 16.04.2019, Az. 37 O 367/18
  • Landgericht Wuppertal, Urteil vom 30.10.2019, Az. 3 O 384/18
  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 03.01.2020, Az. 330 O 111/19
  • Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.10.2020, Az. 10 O 8632/19

Es wird irgendwann einmal Aufgabe des Bundesgerichtshofs sein, darüber zu entscheiden, ob, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Spielern ein Rückzahlungsanspruch zusteht und sie ihre verlorenenen Einsätze von Online-Casinos, Banken, Kreditkartenunternehmen und anderen Payment-Dienstleistern zurückfordern können.

 

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