Wann ist ein Foto nach dem Urheberrecht geschützt? Wann liegt nur eine technische Reproduktion vor, die nicht geschützt ist? Das Urheberechtsgesetz (UrhG) unterschiedet zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern. Der Beitrag erläutert den Unterschied und hilft bei der Abgrenzung.
Inhalt
Urheberrecht an Fotos – worum geht es?
Die Zweckbestimmung des Urheberrechts ergibt sich aus § 1 UrhG:
„Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“
Vom Urheberrecht geschützt ist das jeweilige Werk. Inhaber des Rechts ist dessen Urheber.
Was zu diesen geschützten Werken gehört, ergibt sich aus dem nachfolgenden § 2 Abs. 1 UrhG:
„Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2. Werke der Musik;
3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
3. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.“
Was nun als „Werk“ in diesem Sinne gilt, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 UrhG:
„Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“
Lichtbildwerke und Abgrenzung zum Lichtbild
Entscheidende Voraussetzung ist also die „persönliche geistige Schöpfung“, die nach der herrschenden Auffassung grundsätzlich die folgenden vier Elemente umfasst: Das Werk muss
(1) persönlich erschaffen worden sein,
(2) eine wahrnehmbare Form gefunden haben,
(3) Individualität aufweisen und
(4) die notwendige Gestaltungshöhe (auch „Schöpfungshöhe“ genannt)
erreicht haben.
Im Bereich der Fotografie kommt es also vor allem auf die Elemente „Individualität“ und „Gestaltungshöhe“ an.
Individualität
Das Werk weist Individualität auf, wenn sich in ihm der individuelle Geist des Urhebers ausdrückt und sich das Werk dadurch von alltäglichen, routinemäßig produzierten und anderen, im Sinne des Urheberrechts nicht schöpferischen Leistungen wie z. B. denen
- der ausübenden Künstler
- oder der rein handwerklichen Leistungen
abhebt. Das Werk muss einen Gedanken- oder Gefühlsinhalt des Urhebers mitteilen. Das Gegenteil hiervon ist das bloße Zufallswerk. In der der Fotografie ist so etwas z.B. das durch eine versehentliche Auslösung der Kamera entstandene Bild, das zufällig ein interessantes abstraktes Muster oder eine grafisch reizvolle verwischte Darstellung zeigt. Dass aber auch aus solch zufällig entstandenem Rohmaterial ein – dann urheberrechtlich geschütztes – Werk entstehen kann, indem es kreativ weiterverarbeitet wird, soll hier nur am Rande erwähnt werden.
Nicht erforderlich ist, dass etwas vollkommen neues entsteht – auch die abermillionste Wiederholung des Fotos vom Sonnenübergang über dem Meer kann diese Individualität aufweisen.
Ebenso sind Doppel- und Mehrfachschöpfungen möglich – wenn zum Beispiel mehrere Fotografen nebeneinander stehen und jeder für sich das Motiv umsetzt mit der zwingenden Folge, dass die einzelnen Bilder einander am Ende sehr ähnlich sind.
Gestaltungshöhe
Die Gestaltungshöhe (oder „Schöpfungshöhe“) legt die Untergrenze der Qualifizierung als „Werk“ und damit des Urheberrechtsschutzes fest. Die Individualität muss im Werk in einem gewissen Mindestmaß zutage treten.
An diese Gestaltungshöhe, die die Abgrenzung zur rein handwerklichen Leistung zur Folge hat, sind aber keine hohen Anforderungen zu stellen. Hier gilt der Grundsatz der „kleinen Münze“. In der (derzeit noch; Stand Oktober 2023) aktuellen Auflage des Kommentars Fromm/Nordemann (12. Auflage 2018) wird recht prägnant ausgedrückt, was hinter diesem Gedanken der „kleinen Münze“ steht, wann also das für die Einordnung als Werk i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Mindestmaß an Gestaltungshöhe erreicht ist:
„Es genügt festzustellen, dass ein anderer denselben Gegenstand möglicherweise anders behandelt hätte, dass also die vorliegende eigenständige Behandlung einem bestimmten Urheber persönlich zugerechnet werden kann.“
(§ 2 UrhG Rn. 34;Bearbeiter: Axel Nordemann)
Umkehrschluss: Ein Foto, das nur so und nicht anders erstellt werden kann, hat keinen Werkcharakter. Es kann sich dann günstigstenfalls um ein Lichtbild (§ 72 UrhG) handeln.
Lichtbilder und Abgrenzung zur technischen Reproduktion
Eigenständiger Lichtbildschutz
Warum macht das Urheberrechtsgesetz überhaupt einen Unterschied zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern? § 72 Abs. 1 UrhG gibt einen ersten Hinweis:
„Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.“
In entsprechender Anwendung, nicht „gemäß“: Es soll sich also um einen eigenständigen Schutz außerhalb des Urheberrechts im engeren Sinne handeln – den Lichtbildschutz.
Warum es einen solchen eigenständigen Lichtbildschutz geben soll, zeigt § 72 Abs. 2 S. 1 UrhG, der für Lichtbilder eine 50-jährige Schutzdauer vorschreibt:
„Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist.“
Im Gegensatz hierzu sieht das übrige Urheberrecht für Werke – und damit auch Lichtbildwerke – eine Schutzfrist von 70 Jahren vor, die erst mit dem Tode des Urhebers zu laufen beginnt. Dazu § 64 UrhG:
„Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.“
Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern (§ 8 UrhG) zu, so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers; vgl. § 65 Abs. 1 UrhG. Für Filmwerke, Werken die ähnlich wie Filmwerke hergestellt werden, und Musikwerke machen § 65 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG nähere Angaben dazu, für welche einzelnen Personen dies jeweils gilt. Für anonyme und pseudonyme Werke, also Werke, deren Urheber nicht bekannt ist oder nicht bekanntgegeben wird, stellt § 66 UrhG zunächst darauf ab, wann das Werk veröffentlicht oder geschaffen wurde.
Abgrenzung des Lichtbildes nach unten
Für die Abgrenzung eines solchen Lichtbildes nach unten gegen die nach dem Urheberrechtsgesetz nicht mehr schutzfähige bloße technische Reproduktion helfen die Entscheidungsgründe im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.12.2018, Az. I ZR 104/17 „Museumsfotos“ weiter. Dort aus dem auf juris veröffentlichten Volltext der Entscheidung, Randnummern 23 und 26:
„[23] Der Schutz des § 72 UrhG bezieht sich auf Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden. Danach kommt rein technisch jedes Verfahren in Betracht, bei dem ein Bild unter Benutzung strahlender Energie erzeugt wird. Der technische Reproduktionsvorgang allein begründet aber noch keinen Lichtbildschutz. Vielmehr ist ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – persönlicher geistiger Leistung erforderlich, das schon bei einfachen Fotografien regelmäßig erreicht ist, allerdings im Falle von Lichtbildern fehlt, die sich lediglich als bloße Vervielfältigung anderer Lichtbilder darstellen, bei denen also ein Original-Lichtbild so getreu wie möglich lediglich reproduziert (kopiert) wird. Der Lichtbildschutz erfordert, dass das Lichtbild als solches originär, das heißt als Urbild, geschaffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1989 – I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 [juris Rn. 86 f.] – Bibel-Reproduktion; Urteil vom 3. November 1999 – I ZR 55/97, GRUR 2000, 317 = WRP 2000, 203 [juris Rn. 16] – Werbefotos; Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 757 f. = WRP 2001, 804 [juris Rn. 29] – Telefonkarte; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 72 UrhG Rn. 30; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 72 Rn. 10; Schack aaO Rn. 720; W. Nordemann, GRUR 1987, 15, 17).
[…]
[26] Die Aufnahme einer Fotografie von einem (auch zweidimensionalen) Werk erfordert – wie auch die Revision nicht in Abrede stellt – Entscheidungen des Fotografen über eine Reihe von gestalterischen Umständen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen (Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 72 Rn. 30; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 10; Schack, Kunst und Recht: Bildende Kunst, Architektur, Design und Fotografie im deutschen und internationalen Recht, 3. Aufl. Rn. 873; Bullinger, Festschrift Raue, 2006, S. 379, 382; Erdmann, Festschrift Bornkamm, 2014, S. 761, 766; Katzenberger, GRUR Int. 1989, 116, 117). Auch wenn – wie die Revision betont – der Fotograf diese Entscheidungen an handwerklich-technischen Fragestellungen ausrichtet und das Ziel einer möglichst originalgetreuen Abbildung verfolgt, spricht dies nicht gegen das Vorliegen einer persönlichen geistigen Leistung. Auch die handwerkliche Leistung ohne künstlerische Aussage kann in den Schutzbereich des § 72 UrhG fallen (vgl. Schack, Festschrift Pfennig, 2012, S. 207, 208). Gegenstand des Lichtbildschutzes ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade auch die „rein technische Leistung“ des Lichtbildners, „die nicht einmal besondere Fähigkeiten voraussetzt“ (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270, S. 88; Talke, ZUM 2010, 846, 849; ferner BGH, Urteil vom 4. November 1966 – Ib ZR 77/65, GRUR 1967, 315, 316 [juris Rn. 25] = WRP 1967, 212 – scai-cubana).“
(Fettsetzungen durch den Verfasser)
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung nach unten ist also die Frage, ob der Fotograf noch immer eigene – wenngleich eher technisch begründete – Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung getroffen hat oder ob es sich um einen von solcher Entscheidung völlig losgelösten rein technischen Reproduktionsvorgang handelt (z.B. der Scan von einem Foto mittels der Default-Einstellungen des Scan-Programms).
Schutz des Fotos, nicht des Motivs
Wichtig: Für die Einordnung und den Schutz als Lichtbildwerk oder – im Rahmen der Entscheidung „Museumsfotos“ – als Lichtbild kommt es auf das Foto an, aber nicht auf dessen Motiv. Dem BGH-Urteil „Museumsfotos“ liegt zugrunde, dass der Beklagte Fotografien aus dem Katalog des Reiss-Engelhorn-Museums in Mannheim eingescannt und in die mit dem Internetportal Wikipedia verknüpfte Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen hatte. Diese Katalogfotos zeigten gemeinfreie Kunstwerke aus dem Bestand des Museums, also Werke, an denen das Urheberrecht der jeweiligen Künstler bereits erloschen ist.
Grünes Licht also für Reproduktionen aller Art?
Ist es damit ohne weiteres erlaubt, von fremden Fotos und anderen urheberrechtlich geschützten Werken Kopien anzufertigen, wenn es sich dabei weder um Lichtbildwerke noch um Lichtbilder handelt, sondern nur um bloße technische Reproduktionen?
Nein!
Dem Fotografen des Lichtbildwerkes – und gemäß § 72 Abs. 1 UrhG in entsprechender Anwendung dem Fotografen des Lichtbildes – steht nämlich gemäß § 15 Abs. 1 UrhG das ausschließliche Recht zu, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten. Nach Nr. 1 umfasst dieses urheberrechtliche Verwertungsrecht – unter anderem – das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG.
Fotoklau per copy and paste ohne die erforderliche Erlaubnis ist also illegal.
„Kleine Münze“ in der Fotografie: Praxisfolge
Die Entscheidung, ob es sich um ein Lichtbildwerk oder „nur“ um ein Lichtbild handelt, kann nur im konkreten Einzelfall und bezogen auf das individuelle Foto getroffen werden.
Angesichts der geringen Anforderungen an die Gestaltungshöhe („kleine Münze“) sind in der Fotografie wohl die Mehrzahl der Bilder im Zweifel als „Lichtbildwerke“ einzuordnen. Selbst ein „Schnappschuss“ vom eigenen Kind unter dem Weihnachtsbaum für das Familienalbum erreicht durch die Entscheidung, abzuwarten, bis das Kind das Weihnachtsgeschenk hochhält und in die Kamera schaut, das erforderliche Maß der Individualität. Das gleiche gilt für andere auf den ersten Blick unspektakuläre Entscheidungen zur Bildgestaltung, beispielsweise, für das Urlaubsfoto in den Bergen zwei Schritte zur Seite zu treten, damit der Berggipfel mit ins Bild kommt, oder einige Minuten zu warten, weil die Sonne gerade von einer Wolke verdeckt ist.
Lediglich Aufnahmen rein dokumentarischer Art dürften „nur“ unter den Lichtbildschutz nach § 72 UrhG fallen – aber auch nicht darunter hinweg.
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