Im Webshop konfiguriertes Apple MacBook Pro und das Widerrufsrecht im Fernabsatz – das Brandenburgische Oberlandesgericht entschied mit Urteil vom 16.07.2024, Az. 7 U 133/23: Auch für ein Notebook, das nach den persönlichen Vorgaben des Käufers online aus vorgegebenen Standardoptionen konfiguriert und vom Verkäufer hiernach zusammengebaut wurde, besteht das Widerrufsrecht für Verbraucher. Es handelt sich um keine individuelle Maßanfertigung, bei der das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen wäre.
Sachverhalt: Worum geht es?
Der spätere Kläger hatte über einen eBay-Shop ein Apple MacBook Pro bestellt. Auf der Angebotsseite hatte er eine „persönliche Konfiguration“ ausgewählt und sich das leistungsstärkste Notebook aus vorgegebenen Optionen zusammengestellt. Der Kaufpreis betrug stolze 7.049 €. Nachdem er das MacBook erhalten hatte, widerrief er den Kaufvertrag, sandte das Gerät originalverpackt und versichert wieder an die Händlerin zurück und forderte den Kaufpreis zurück.
Die Händlerin verweigerte die Rückabwicklung. Sie machte geltend, es handele sich bei diesem MacBook um eine Individualanfertigung. Deswegen sei das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Einmal fest verbaut, könnten die einzelnen ausgesuchten Komponenten nicht problemlos wieder entfernt werden.
Der Käufer erhob Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Ergebnis: Wie entschied das Gericht?
Vor dem erstinstanzlich zuständigen Landgericht blieb der Kläger zunächst erfolglos. Das Landgericht meinte ebenfalls, durch die Auswahl verschiedener Komponenten liege eine individuelle Anfertigung vor, bei der das gesetzliche Widerrufsrecht ausgeschlossen sei. Das Notebook könne nicht mehr in die Grundkonfiguration zurückgebaut werden. Es sei in der gewählten hochwertigen Ausstattung nur schwer und mit großen finanziellen Preisnachlässen durch den Händler weiterzuveräußern. Ein vertragliches Rückgaberecht sei nicht vereinbart worden.
Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht ein – mit Erfolg:
Das Oberlandesgericht verurteilte die Händlerin zur Rückzahlung des Kaufpreises. Das Widerrufsrecht sei nicht nach §§ 312c Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Das Notebook sei nämlich nur aus vorgegebenen Standardoptionen konfiguriert worden, nicht aber nach individuellen Vorgaben des Käufers („Maßfertigung“).
Die Angebotsauswahl aus vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten stelle keine individuelle Anfertigung dar. Entscheidend sei, dass das Notebook serienmäßig in bestimmter Bauart hergestellt und hinsichtlich der vier Komponenten Prozessor, Arbeitsspeicher, Grafikkarte und Festplatte gefertigt werde. Dem Verkäufer stehe demnach eine begrenzte Anzahl verschiedener Varianten des angebotenen Notebooks zur Verfügung. Hiervon könne der Käufer gerade nicht abweichen. Durch die Begrenzung der Optionen sei auch das Absatzrisiko grundsätzlich geringer. Das Risiko, dass das hier bestellte Notebook von der Händlerin nur einmal verkauft wurde („Ladenhüter“), sei von ihr zu tragen. Daher müsse sie den Kaufpreis erstatten.
Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu.
Auswirkung auf die Praxis
Der Bundesgerichtshof entschied bereits mit Urteil vom 19.03.2003, Az. VIII ZR 295/01, dass das Widerrufsrecht für einen im „built-to-order“-Verfahren aus vorgefertigten Standardmodulen nach Kundenwunsch konfigurierten Laptop nicht ausgeschlossen ist. Nach dieser älteren Entscheidung soll dies jedenfalls dann gelten, wenn der Computer auf Bestellung des Verbrauchers aus vorgefertigten Standardbauteilen zusammengefügt wird, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand ohne Beeinträchtigung ihrer Substanz oder Funktionsfähigkeit wieder getrennt werden können.
Neu ist nun, dass die Bauteile im MacBook offenbar fest verbaut werden, dass das einmal konfigurierte und montierte Gerät nicht einfach wieder in seine Einzelteile zerlegt und mit anderer Konfiguration und anderen Komponenten anderweitig verkauft werden kann.
Indes stellt die maßgebliche Rechtsnorm des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ihrem Wortlaut nach überhaupt nicht auf den Aufwand bei der Demontage ab. Entscheidend ist hiernach nur das Maß der Individualisierung. Legt man eine solche Auslegung der Norm anhand des Wortlautes zugrunde, ist nicht auszuschließen, dass das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird. Erst einmal muss dazu die unterlegene Händlerin die Revision einlegen. Die einmonatige Revisionsfrist ist – Stand 09.08.2024 – noch nicht abgelaufen.
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