OLG Koblenz: Recht am eigenen Bild und Widerruf der Einwilligung

YouTube-Videos, Recht am eigenen Bild und der Widerruf der Einwilligung in die Veröffentlichung – das Oberlandesgericht Koblenz vertritt mit Hinweisbeschluss vom 31.07.2024, Az. 4 U 238/23, die Auffassung: Eine Einwilligung in die Bildveröffentlichung kann auch formlos erteilt werden, ist grundsätzlich bindend und kann nur ausnahmsweise unter strengen Voraussetzungen widerrufen werden.

Sachverhalt: Worum geht es?

Beide Parteien sind Unternehmer standen miteinander in geschäftlicher Beziehung. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen veröffentlichte die Beklagte in ihrem YouTube-Kanal vier Videos, die den Kläger zeigten.

Ursprünglich hatte der Kläger in die Veröffentlichung der Videos eingewilligt. Dabei hatte er eine im Herbst 2019 eine Einwilligungserklärung unterzeichnet, die folgenden Wortlaut hatte:

„Ich willige ein, dass Bildnisse meiner Person (Foto, Video. Multimediawerke) die im Wege der vorgenannten Produktion entstanden sind, von der [Name der Beklagten] und von entsprechend ermächtigten Dritten verbreitet, vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen, insbesondere zu Zwecken der Werbung im Internet und den sozialen Medien benutzt werden dürfen. Ich verzichte insoweit auf die mir zustehenden Persönlichkeitsrechte, insbesondere solche nach dem Kunsturhebergesetz (KUG). Mir ist bewusst, dass meine Einwilligung nicht widerrufbar ist.“

Aufgrund von Veränderungen in der persönlichen und geschäftlichen Situation widerrief der Kläger im Sommer 2020 gegenüber der Beklagten seine Einwilligung in die Nutzung von Audio-, Video- und Bildmaterialien. Er forderte die Beklagte auf, alle vorhandenen Materialien aus jeglichen Plattformen zu löschen.

Die Beklagte kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Daraufhin ging der Kläger gerichtlich gegen sie vor.

Ergebnis: Wie entschieden die Koblenzer Gerichte?

Bereits das erstinstanzlich zuständige Landgericht Koblenz wies die Klage mit Urteil vom 20.01.2023, Az. 3 O 240/21, ab.

Das Oberlandesgericht Koblenz befand, das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen.

Zunächst hielt das Oberlandesgericht fest, dass an die Einwilligungserklärung beim Recht am eigenen Bild keine hohen formalen Anforderungen zu stellen sind, ja dass sich eine wirksame Einwilligung auch konkludent aus den Umständen ableiten lässt:

„Überdies ergibt sich die – grundsätzlich formlos erteilbare (vgl. nur BeckOK-Urheberrecht/Engels, 42. Edition, § 22 KunstUrhG Rn. 30) – Einwilligung des Klägers, also dessen Zustimmung zur Verbreitung, nicht nur (bezogen auf die danach produzierten Videos) aus der vorgelegten Einwilligungserklärung, sondern auch aus den Gesamtumständen des vorliegenden Einzelfalls, namentlich der dem Kläger als Geschäftspartner und Wettbewerber genauestens bekannten Geschäftspraxis der Beklagten, Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern auf Veranstaltungen zu filmen und auf ihrem YouTube-Kanal zu veröffentlichen, die ihn nicht davon abhielt, sich von den Geschäftsführern der Beklagten filmen und interviewen zu lassen.“

Im Gegenteil sei das Einverständnis des Klägers mit der Verbreitung in manchen der Videos sogar explizit festgehalten.

Der Kläger habe seine Einwilligung nicht wirksam widerrufen:

„Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der vom Kläger erklärte Widerruf der Einwilligung nach § 22 KunstUrhG unwirksam ist. Unabhängig davon, ob man die Einwilligung als empfangsbedürftige Willenserklärung (wie OLG München NJW-RR 1990, 999, 1000; ZUM 2001, 708, 709) einstuft, ist anerkannt, dass die für rechtsgeschäftliche Handlungen geltenden Grundsätze hinsichtlich der Rechtswirkungen der Einwilligung jedenfalls entsprechend heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.1980 – VI ZR 155/78 = NJW 1980, 1903; eingehend: BeckOK-Urheberrecht/Engels, 42. Edition, § 22 KunstUrhG Rn. 28, 45). Hieraus folgt, dass die erteilte wirksame Einwilligung nach § 22 Satz 1 KunstUrhG grundsätzlich bindend ist.

Ausnahmen von der Bindungswirkung werden von der Rechtsprechung zugelassen, wenn dem Persönlichkeitsrecht unter bestimmten Aspekten aus einem wichtigen Grund Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue einzuräumen ist (vgl. OLG München, NJW-RR 1990, 999), etwa weil sich die der Einwilligung zugrunde liegende innere Einstellung des Betroffenen nachweislich geändert hat (vgl. OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 6926).“

Einen derartigen Ausnahmefall habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hinreichend dargetan.

Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf Verstöße der Beklagten gegen die DSGVO stützen.

Maßgeblich seien zunächst alleine die Regelungen der DSGVO:

„Soweit Verstöße gegen Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten und anderer Regelungen der DSGVO geltend gemacht werden, wie hier die vom Kläger behauptete fehlende bzw. weggefallene Ermächtigung zur Verbreitung der Videos sowie die aus Sicht des Klägers unzulässige Drittlandsübermittlung, finden Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts keine Anwendung, weil die Vorschriften der DSGVO eine abschließende, namentlich voll harmonisierende europäische Regelung bilden (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 904, 906 Rn. 50; BeckOK DatenschutzR/Wolf/Brink DSGVO Einl. Rn. 19). Wegen dieses Anwendungsvorrangs des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts kann ein Anspruch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts gestützt werden (BVerfG NJW 2020, 314).“

Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 82 DSGVO scheide aus, weil dieser einen konkreten entstandenen Schaden voraussetzt (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2023, 904, 905 Rn.47), den der Kläger aber nicht dargelegt habe.

Der Kläger könne sein Unterlassungsbegehren auch nicht auf Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO stützen. Zwar sei anerkannt, dass sich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO über den Wortlaut hinaus auch ein Anspruch auf Unterlassung ergeben könne (vgl. BGH, GRUR 2022, 25 Rn. 10). Allerdings lägen die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor:

„Denn selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 1 DSGVO ausginge und zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO wirksam widerrufen wurde, stünde dem Kläger jedenfalls deshalb kein Unterlassungsanspruch zu, weil dieser nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO im Falle des Widerrufs der Einwilligung nur dann entsteht, wenn es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Die weitere Datenverarbeitung bleibt mithin zulässig, wenn diese noch aus weiteren Gründen erfolgen durfte (vgl. BeckOK-Datenschutzrecht/Worms, 48. Edition, Art. 17 DSGVO Rn. 36).“

Hier sei die ursprünglich bestehende Geschäftsbeziehung maßgeblich:

„Vorliegend kann die Beklagte die Datenverarbeitung indes auch auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO stützen, da die Veröffentlichungen im YouTube-Kanal der Beklagten im Rahmen einer Geschäftsbeziehung der Parteien erfolgten, zu deren Inhalt es nach dem Vortrag beider Parteien jedenfalls auch gehörte, dass beide Parteien in Videos über das Unternehmen der jeweils anderen Seite berichtet. Die Formulierung ‚Erfüllung eines Vertrags‘ in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO ist unionsrechtlich autonom und weit auszulegen. Sie erfasst jedwedes rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis und bezieht vertragsähnliche Konstellationen mit ein (vgl. BeckOK-Datenschutzrecht/Albers/Veit, 48. Edition, Art. 6 DSGVO Rn. 42). Es kann aus Sicht des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass die von beiden Parteien vorgetragene Geschäftsbeziehung der Parteien, in deren Zusammenhang die Videos produziert und veröffentlicht wurden, als Vertrag in diesem Sinne anzusehen sind. Zu dieser Geschäftsbeziehung gehörte es ersichtlich, die Medienpräsenz der wechselseitigen Unternehmen und Unternehmer durch die produzierten Videos und der Veröffentlichung im Internet zu erhöhen bzw. zu erhalten.“

Auf eine Interessenabwägung komme es daher letztlich nicht an.

Auswirkung auf die Praxis

Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz unterstreicht die Bedeutung von Einwilligungserklärungen in digitalen Geschäftsbeziehungen – und er unterstreicht vor allem die Bindungswirkung einer solchen Erklärung. Das Recht am eigenen Bild ist kein Freifahrtschein für Wankelmut und Willkür. Ein genau formuliertes schriftliches Model Release ist sinnvoll, aber nicht Voraussetzung für eine Bildveröffentlichung.

 

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